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Von Galariad und seinen Töchtern
in Geschichten und Erzählungen 16.05.2011 15:40von Airelind • Junior | 49 Beiträge
VON GALARIAD UND SEINEN TÖCHTERN
EIN LEBENSBERICHT
GLEICHZEITIG TEIL DER FAMILIENCHRONIK
DES HAUSES GHALDEAN AUS GONDOR
Die folgende Geschichte handelt von Galariad Ghaldean aus Gondor und von seinen Töchtern Iona, Nariena und Nariala, von glücklichen und traurigen Erlebnissen und von allem, was dem Hause Ghaldean widerfuhr in den Jahren 2960 bis 3017 des Dritten Zeitalters. Der Text wurde niedergelegt von Airelind aus Lindon als Mitschrift des Berichts, den Galariad selbst im letztgenannten Jahr einem Kreis ihm vertrauter Zuhörer gab. Ursprünglich ein Teil des Sternenbuches liegt der Text nun auch in eigenständiger Form vor. Stellenweise wurden Jahreszahlen in Klammern ergänzt, sie alle entstammen dem Dritten Zeitalter.
I. Junge Jahre
So wie ich es bei euch gleichermaßen tue, meine Freunde, so fragt ihr euch sicher, wie es uns in den Norden verschlagen hat, und wie es geschah, dass wir heute in eurer Mitte von Geschichte und Geschicken unserer Familie berichten können. Schenkt mir also ein wenig Gehör, und ihr werdet es gleich erfahren.
Meinen Namen kennt ihr. Doch allen, die wie ich selbst der Sprache der Grauelben nur mäßig mächtig sind, möchte ich erklären, was er bedeutet: Die Vorsilbe gal meint ausnahmsweise einmal nicht den Baum, wie ihr es sicherlich in Worten wie galadhrim vernommen habt, sondern das Licht und die Helligkeit. Es folgt ein etwas verbogenes arad, und dies bedeutet Tag. Auch meine Eltern waren nicht fehlerlos im Sindarin, doch nannten sie mich somit den lichten Tag. Der Name der Familie, Ghaldean, bedeutet von altersher Greif, und ein Greif ist es, welcher auch das Wappen unserer Familie ziert.
Geboren wurde ich im Jahr 2960 und zähle damit nun bereits 57 Jahre - doch keine Sorge, meine Knochen sind noch lange nicht brüchig. In den Adern unserer Familie fließt, sogar nach solch langer Zeit, noch ein wenig vom Blute aus Westernis, das die Numenorer stark und langlebig werden ließ. Aus Numenor stammen meine ältesten Vorväter tatsächlich, und mit den Getreuen und im Gefolge Elendils kamen sie nach Mittelerde, bevor die alte Heimat im Meer versank, und sie nahmen Heimat im großen Hafen von Pelargir an den Mündungen des Anduin.
Mein Vater Galadan lebt nicht mehr. Ergraut ist meine euch bekannte Mutter Galawyn, von Alter und von schmerzhaften Ereignissen, von denen ich an dieser Stelle nicht erzählen möchte. Einen Bruder habe ich, Valadan mit Namen, welcher zwei Jahre vor mir (2958) geboren wurde, und welcher heute in den Angelegenheiten der Familie in Gondor bestimmt. Valadans Tochter, Maralen, befindet sich dieser Tage selbst im Norden, doch führte sie eine andere Geschichte hierher, welche an anderer Stelle erzählt werden soll.
Während meiner Eltern Erstgeborener nach altem Brauch also den Platz des zukünftigen Oberhauptes der Familie einzunehmen unterwiesen wurde, führte mich mein Weg zum Waffendienst. Halb schob man mich, halb zog es mich, und die ersten Jahre meiner Ausbildung verbrachte ich bei den Turmwachen der weißen Stadt, ganz so wie es viele der jüngeren Sprösslinge hohen und niederen Adels aus sogenanntem gutem Hause tun. Eines Tages im Jahre 2985 war es dann soweit - den jungen Hauptleuten wurde eigene Verantwortung übertragen. Die begehrtesten Posten erhielten natürlich die Söhne bester Abstammung. Mir dagegen blieb eine der, sagen wir "weniger beneidenswerten" Aufgaben, doch eine, die sich, wie ich heute sagen kann, als gute Fügung für mich erweisen sollte: Keinen Befehl über Truppen erhielt ich, sehe ich einmal von Otharin ab, meinem treuen Knappen, der mich seitdem und bis heute begleitet, sondern eine Zuweisung zur damals noch ständigen Gesandschaft am Königshof Rohans, Gondors treuem Verbündeten.
Die Gesandschaft, wie dieses Chorps schlicht genannt wurde, erfüllte diplomatische und militärische Aufgaben zugleich, sowohl in Edoras als auch in Minas Tirith. Und wen wundert es, dass ich als Neuling eine der militärischen Aufgaben erhielt, noch dazu eine anstrengende - man übertrug mir die Inspektion der Signalfeuer, welche zwischen der weißen Stadt und Gondors Grenze zu Rohan am Firienwald liegen. So ritt ich also mit Otharin - oder besser gesagt, wir kletterten - auf den Amon Din, den Min Rimmon und immer weiter bis zum Eilenach, bergauf, bergab, bergauf, bergab. Nach drei Jahren (2988) hatte diese Plackerei schließlich ein Ende, ein nicht allzu begeisterter Nachfolger übernahm die Aufgabe, und ich wurde dauerhaft zum diplomatischen Chorps an den Hof der goldenen Halle in Edoras kommandiert.
II. Glückliche Jahre
Wie war mir doch das Glück gewogen! Hatte sich bereits während meiner Aufenthalte in Edoras in den vergangenen drei Jahren ein zartes Band der Zuneigung zwischen Falvine, einer der schönen und stolzen Damen Rohans und mir selbst gesponnen - nun endlich, selbst gewissermaßen seßhaft in Edoras, konnte ich mich ihr erklären, und im folgenden Jahr (2989) feierten wir Hochzeit. Iona, unsere älteste Tochter, erblickte zwei Jahre später (2991) in Edoras das Licht der Welt.
Weitere glückliche Jahre folgten, und ich dachte mit Dankbarkeit, dass ich an diesem Ort und auf diese Weise wohl gut und zufrieden meinen Lebensabend erwarten könnte. In den Sommermonaten reisten wir entweder nach Pelargir auf das Gut der Ghaldeans oder auf das von Falvines Eltern nach Entbruck an der Entwasser und genossen die warmen Tage in großem Kreise der Familien. Die Zwillinge, von denen Nariena die Ältere und Nariala die Jüngere ist, wurden im Jahre 2992, in Jahr nach Iona, während des ersten dieser langen Aufenthalte in Pelargir geboren.
Doch muß ich nun erzählen, wie und weshalb das Schicksal den Lauf der Dinge zum Schlimmen lenkte und doch alles ganz anders kam als erhofft.
Blicken wir einmal zur hohen Politik: In Gondor, das wisst ihr, hält Denethor Amt und Stab der Truchsessen. Ein weitsichtiger Regent ist er, und zu Beginn war er ein lebensfroher Mann. Doch allzu früh (2988) war seine geliebte Gemahlin verstorben, Finduilas aus Dol Amroth. Man munkelt im Volke, er habe sich von diesem Verlust niemals vollends erholt. Denn nach ihrem Tode wurde er allmählich verschlossen und, wenn seine Söhne Boromir und Faramir fern waren, zuweilen schwermütig. Feste blieben aus, der Glanz der weißen Stadt verblasste, nur ein wenig zwar, fast unmerklich, aber es liegt nach meinem Dafürhalten Wahrheit in der Behauptung, dass Gondor sich mit des Truchsessen Herzen verschloss.
In Rohan indes, dies wisst ihr vielleicht nicht, war und ist es seit jeher Sitte, dass der König bei wichtigen Entscheidungen die Marschälle der Marken und seine engsten Berater hinzuzog. Dies ist an sich nichts Besonderes und jeder kluge Herrscher tut gut daran. Auch der ranghöchste Offizier unserer Gesandschaft gehörte traditionell zu diesen Beratern. Seit einiger Zeit aber war ein weiterer Mann stetig in des Königs Wertschätzung und Vertrauen emporgeklommen: Grima, Galmods Sohn, war sein Name, und immer öfter hatte er Theodens Ohr und Aufmerksamkeit. Ganz im Sinne Rohans, zu sehr vielleicht, erschien allen sein Rat. Verschlagen war er, doch war er es anfangs möglicherweise ohne Hinterlist, noch in fester Treue zu König und Land. Mit großer Wahrscheinlichkeit aber betrieb er, wann immer wir nicht zugegen waren, die Entlassung unserer Gesandschaft. Theoden folgte seinem intriganten Ansinnen zwar nicht, doch immer seltener wurde uns, den Botschaftern Gondors, des Königs Audienz zuteil.
Schließlich, im Jahre 3000, wurde die Gesandschaft auf Geheiß Denethors ab- und zurück nach Gondor berufen. Natürlich war er ob unseres schwindenden Gehörs und Einflusses in Rohan verstimmt, doch war Denethor selbst zu keiner Zeit ein überzeugter Befürworter der Gesandschaft gewesen. Seiner, des Truchsessen Überzeugung nach schien es vielmehr allein Gondors Bestimmung, im Ringen der Mächte die freien Völker zu verteidigen und, sollte Gondor scheitern, im Sturm des letzten großen Krieges tosend unterzugehen. Grimas Ränkespielen kam unsere Abberufung zweifellos sehr zupass.
Das bedeutete für mich den Beginn eines Lebens als Zivilist. Um weiterhin an der Seite meiner lieben Gemahlin und meiner Töchter bleiben zu können, nahm ich, nicht ohne Wehmut, meinen Abschied von Gondors Armee (3000) und arbeitete fortan in Edoras als Schneider und Schmied, so zufrieden wie nur möglich.
III. Schwere Jahre
Mit schmerzhaftester Erinnerung verbunden ist der Verlust, den wir im Sommer des Jahres 3004 in Entbruck erlitten. Meine geliebte Falvine, ihre Eltern und mein Vater Galadan fanden den Tod. Von jenem Schicksalsschlag möchte ich, wenn überhaupt, ein anderes Mal berichten. Tief trauernd dachten weder Galawyn, die Töchter noch ich selbst an einen weiteren Verbleib in Rohan, kehrten Edoras den Rücken und ließen uns wieder in Pelargir auf Ghaldean'schem Land nieder. Nun aber werdet ihr euch umso mehr fragen, was uns schließlich doch hierher in den Norden verschlug. Denn abgesehen von unseren jährlichen Besuchen der Gräber in Entbruck lebten wir wieder in Gondor.
Eines Tages jedoch erreichte mich die Nachricht meines einstigen Vorgesetzten, des damaligen Kommandanten unserer Gesandschaft in Rohan. Er berichtete mir von einem Zirkel von Hauptleuten, welche Gondors alte Bündnisse weiterhin zu pflegen bemüht waren, und welchen sogar bekannt war, dass in Arnor noch immer die Nachfahren der Dunedain im Verborgenen lebten und wirkten. Zu eben diesen wollten sie Verbindung aufnehmen. Was aber würde Denethor über ein solches Vorhaben denken? Was sollte der Statthalter, dessen Anstrengung im Bunde mit Rohan nicht die größten waren, von einem Bund mit einem unbekannten, noch weiter entfernten Verbündeten halten? Und hatte nicht Gondor bereits vor einem Jahrtausend den verzweifelten Anspruch des wankenden Nordreichs auf den Thron zurückgewiesen? Nein, Denethor durfte hiervon vorerst nichts erfahren. Meine Kameraden waren sich wohl bewusst, dass sie zwar zum Besten Gondors, jedoch wahrscheinlich gegen den Willen des Truchsessen handelten und taten daher alles, was sie taten, im Geheimen. Euch, meinen Freunden, traue und vertraue ich dies an, doch muss ich euch das Versprechen abnehmen, es niemandem sonst zu offenbaren.
Solch verborgene Diplomatie mit dem fernen Norden war nun ohne Boten und Botschaft schlechterdings undenkbar. Ein solcher Bote konnte natürlich kein Angehöriger der regulären Truppen sein, da - um es vorsichtig auszudrücken - kein entsprechender Befehl existierte. Ein Reservist und Zivilist wie ich jedoch besaß nicht nur die für nötig befundene Ausbildung, sondern auch die hierfür unentbehrliche Handlungsfreiheit. So hatte man sich auch an mich gewandt. Und das, worum man mich bat, war nichts Geringeres als regelmäßige Botschaft und Reise zu den Dunedain von Arnor.
Ich erklärte mich hierzu bereit und zog Iona, Nariena und Nariala ins Vertrauen. Zu meiner Überraschung ließen sie sich nicht davon abbringen, mich zu begleiten. Nach anfänglichem Zögern konnte ich ihnen diesen Wunsch nicht verwehren; immerhin waren sogar die beiden Jüngsten bereits im sechzehnten Lebensjahr, alle hatten seit Jahren, eine jede auf ihre Weise, Interesse am Kriegshandwerk gezeigt und waren mehr als fähig, eine Waffe zu führen.
Mehr noch - wir beschlossen, dass meine Mutter Galawyn uns ebenfalls begleiten würde. Noch immer dämmerte sie im Schatten unseres Verlusts dahin, und wir hofften, sie würde besser zu Sinnen kommen, wenn wir der alten Heimat gänzlich und dauerhaft den Rücken kehrten.
So reisten wir, Galawyn, Iona, Nariala, Nariena, Otharin und ich, im Jahre 3008 auf beschwerlichem Weg in den Norden. Die Reise glich eher einem Familienumzug als einer Mission, aber dies war mir willkommene Tarnung und konnte der Sache nicht schaden. Nach kurzem Aufenthalt in Bree wurde das verborgene Esteldin in den Nordhöhen einstweilen unsere neue Heimat, eine der wenigen letzten und sorgsam verborgen gehaltenen Zufluchten der Dunedain des Nordens.
IV. Jüngste Jahre
Das Leben in Esteldin war weitaus entbehrlicher als das in Gondor, selbst als das in Rohan, doch wir gewöhnten uns daran. Es dauerte nicht lange, und man war von unserer Vertrauenswürdigkeit überzeugt. Meine Fertigkeiten als Handwerker waren willkommen, die Töchter gingen zuweilen mit den Waldläufern auf Patrouillen, und sogar Galawyns Geisteszustand besserte sich ein wenig. Oft auch waren wir, die Ghaldeans, gemeinsam auf Erkundung im Breeland und an den Grenzen des Auenlandes. Bis zu den Anfurten und nach Bruchtal führten uns unsere Wege, und in den Weiten Arnors, von denen wir fälschlicherweise geglaubt hatten, sie wären ausgestorben und vergessen, lernten wir viele Dinge von Bedeutung für unsere alte Heimat im Süden.
Von Weiterem und dem Schluss soll rasch berichtet sein: Noch immer und wie vorgesehen sende ich regelmäßig Nachricht über den Norden in die Heimat und bringe Botschaften mit mir zurück, was nichts anderes bedeutet, als dass jedes zweite Jahr Otharin, ich selbst, meist aber wir beide gemeinsam wie in vergangenen Tagen der Leuchtfeuerinspektionen, an einem Frühlingstag die lange Reise in den Süden antreten und erst im Spätsommer oder Herbst wieder nach Esteldin zurückkehren. Dann und wann begibt sich eine der Töchter mit uns auf die lange Fahrt, doch immer seltener, denn allmählich führen sie ihr eigenes Leben. Ich aber werde fortfahren, mein Versprechen zu erfüllen, so lange es notwendig ist, so lange ich es vermag und der Weg mir offensteht. Wie lange dies sein wird? Wer kann dies wissen, denn beschwerlicher und schwerer werden alle Wege dieser Tage.
Hier und jetzt aber bin ich nunmehr zum Ziel gelangt, zum Ende der Geschichte. Mögen wir sie gut und zu unser aller Wohl weiterführen.
V. Quellen
Der obige Text entstand auf der Grundlage folgender Quellen:
J. R. R. Tolkien - The Lord of the Rings
Allen & Unwin in association with BCA, 1987
Vol. III - The Return of the King, Appendix A - Annals of the Kings and Rulers
Vol. III - The Return of the King, Appendix B - The Tale of Years
Artanaro, Cunarwe, Maethruth

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