#16

RE: Von Pferd und Schwert

in Geschichten und Erzählungen 19.12.2010 00:21
von Nari • Meisterschreiber | 592 Beiträge

So ist es. So hat es geendet.

Wir kehrten mit den Verbliebenen zurück. Wie dumpf und leer die Zeit danach war, braucht keine Erwähnung mehr. Doch wollten wir weder damals noch heute Mitleid für das, was uns zugefügt wurde. Es wäre uns unerträglich gewesen und hätte dem Stolz, der noch in uns verblieben war, weitere Wunden hinzugefügt. So seht uns auch jetzt nicht mit Mitleid an.

Wir verbrachten noch einige Zeit in Pelargir, doch wirklich dort bleiben konnten wir nicht. So war es nicht ungelegen, daß mein Vater schließlich ins Breeland versetzt wurde, vielleicht auch durch gütiges Einwirken seiner Vorgesetzten hin, die sein Leid mildern wollten. Wir begingen den Grünweg, lange Tage und Wochen der Reise, bis Bree vor unseren Augen lag. Iona akzeptierte mit der Zeit, was das Schicksal ihr bestimmt hatte. Sie bewahrte sich eine freundliche Resolutheit und jeder, der ihr heute begegnet, wird sehen, daß sie nicht ohne Stolz in die Fußstapfen unseres Vaters getreten ist. Sie trägt die Hellebarde der Hauptleute wie einen Schild vor sich, um zu beschützen, wer Schutzes bedarf - so wie sie es bei Nariala und mir tat. Und Nariala, die von jeher ein so herzliches Gemüt gehabt hatte, verzieh die Geschenisse sogar. Sie geht wieder mit Liebe durch die Welt, bereit, alles, was ihr darin begegnet mit Hilfsbereitschaft und Gnade anzunehmen. Sie ist nicht ohne Zorn und auf ihrem Lächeln mag manchmal ein Schatten liegen, doch ist ihr Wille so gut und edel, wie ich es bisher nur bei wenigen anderen sah.
Nur ich...was gibt es über mich zu sagen...ich bin Nariena Ghaldean, Tochter von Galariad.

Es ist lange her, daß es die Ghaldeans aus Gondor ins Breeland brachte. Und vor allem ich war es, die es dort nicht lange hielt. Ich durchwanderte Eriador, zog hierhin und dorthin und konnte an keinem Ort für lange verweilen, ohne daß mich eine seltsame Unruhe ergriff. Ich habe viele Dinge getan, die mir und anderen Schwierigkeiten bereiteten und die ohne die Zusprache meiner Familie und meiner Freunde vermutlich niemals bereinigt worden wären, und somit oftmals der Anlaß waren, daß ich auch durchaus gezwungen war aus einem Dorf oder einer Siedlung wieder zu verschwinden. Habe ich gestohlen? Ja, das habe ich. Habe ich solche, die es gut meinten, betrogen? Ja, auch das habe ich. Und dies waren gute Gründe, um sie für meine stete Wanderschaft anzugeben - doch der wahre Grund für meine Unrast und meine Unruhe, sind jene Tage, die ich zuvor beschrieb und die mir doch immer noch das Gefühl geben, gejagt zu werden. Von einem dunklen und namenlosen Grauen, das ich lange nicht zu bezeichnen wußte.
Ich bin ein wenig so: eine Schelmin, ein Tunichtgut, eine, die anderen gerne Streiche spielt und dabei auch über die Stränge schlägt. Doch meine wahren Fehler und Untaten beging ich aus einer Furcht heraus, deren Ursprung ich lange Zeit vergessen hatte, und die doch tief in mir sitzt. Mein Vater hieß uns Kinder zu vergessen und die jungen Gemüter nicht damit zu belasten. Und wir, Iona, Nariala und ich, gehorchten, denn es erschien uns weise. Und das war es auch - wenn wir davon ausgingen, daß wir die Pforte nach Rohan nie wieder durchschreiten würden und auch nie wieder einen Blick auf den goldenen Wald Lothloriens werfen würden. Doch Lothlorien ist seit der Rückeroberung Morias durch die Zwerge sehr nahe gerückt. Es ist erst wenige Wochen her, daß ich selbst an den Ufern des Nimrodel stand und hinüber blickte auf die mächtigen Mallorn-Bäume. Nein, es liegt offen vor mir. Damit tut es auch die Vergangenheit. Und so bin ich es, die es nun als weise erachtet, die Siegel zu einem Geheimnis zu brechen, das nicht länger vergessen sein darf, sondern angesehen und erneut durchlebt werden muß, um auch für mich einen Weg zu finden das Geschehene entweder verzeihen oder rächen zu können.

Einem Schatten entgegen zu sehen und zu erfahren, was Grausamkeit, Gier und vor allem Verlust bedeuten - das mußten schon viele vor mir. Und es werden ebenso viele nach mir tun. Das mag uns allen gemeinsam sein und doch unterscheidet uns die Art, wie wir damit umgehen werden.
Als mich die häßliche Fratze Mordors anspie, und seine garstige Klaue, die uns zu zerquetschen suchte, nach meiner Seele griff, veränderte sich etwas. Sie zeigte mir den trügerischen Weg, wie man vermeiden konnte, abermals enttäuscht und verletzt zu werden und das Durchlebte noch einmal zu wiederholen. Sie führte auf einen dunklen Pfad: stoße die von Dir, die Dir nahe sein wollen und begehe Unbill an ihnen, auf daß sie nicht in Dein Herz gelangen - denn am Ende wird immer der Tod siegen und die Hand Mordors sich siegreich erheben. Ihr Verlust kann Dich nicht treffen, wenn Du erst gar nicht lernst, sie zu lieben. Mit süßer Stimme flüsterte sie dies immer und immer wieder.
Doch was wartet am Ende dieses Pfades....es ist Verzweiflung und es ist Einsamkeit. Es ist die Unfähigkeit, zu vertrauen. Und so braucht es schließlich kein Heer mehr aus Mordor, daß mich niederringt, denn ich tue es selbst, mit der giftigen Saat des Zweifels im Herzen, die aufkeimt und mich durch meine eigene Hand und meinen Willen ins Verderben und dem Ende entgegen führt. Doch ich sehe nun, da ich hier an der Wende der Zeiten alles neu überdenke, wie dunkel der Pfad wirklich ist, den ich beschritten habe und wieviel Licht es jenseits davon gibt. Es scheint auf mich und ich habe erfahren, daß ich nicht die Fähigkeit verloren habe, Zuneigung zu fassen. Wunden können verheilen und ich kann dieser Tage durchaus einem Gefährten nacheilen, der in Not ist und ihn davor bewahren. Es ist mir nicht länger gleichgültig, ob ihm Unheil widerfährt, wenn nur ich unversehrt davonkommen kann. Ich kann nicht nur streiten mit meinen Worten, ich kann auch Freude durch sie bringen und Hoffnung sähen. Und ich kann mit meinen Fähigkeiten nicht nur Gold aus den Taschen eines Kaufmanns stehlen, ich kann genausogut Schrift und feindlichen Befehl aus den Händen eines Ork-Generals entwenden, auf daß dies den freien Völkern zu ihrer Verteidigung dient. Dazu bedarf es nicht viel: es braucht nur einen Freund, der trotz aller Makel und trotz aller Verfehlungen zu uns steht und daran glaubt, daß sich hinter der Maske ein guter und gerechter Geist verbirgt, der nur vergessen zu haben scheint, daß er existiert. Solch einen Freund hatte ich, unverhofft, doch unerschütterlich und aufrecht. Stark und nicht Willens, auch nur ein weiteres Leben an die Dunkelheit Mordors zu verlieren. Ich habe mich schließlich geschämt unter seinem gütigen Blick, wenn ich wieder einmal mit vollem Bewußtsein Unrecht an ihm und anderen beging, nur um ihn zu verstimmen und ihn damit von mir fern zu halten. Es galt zu streiten, es galt viel zu debattieren, aber es galt auch zu vergeben und zu schweigen und auf sich selbst zu hören; nicht länger auf eine ferne Stimme, die kein Gewissen hat. Es galt auf die Sprache freundlicher Augen zu achten, die tiefer blicken und sich nicht mit dem zufrieden geben, was sie nur an die Oberfläche sehen. Es galt...das Gegenteil von Furcht zu erkunden: Liebe.
Ich weiß, daß er mir heute nicht zugehört hat, aber das muß er auch nicht. Er weiß, was er für seinen Mut und seine Treue erhalten hat und auch ich weiß es. Gondors Kinder sind tapfer und mit allem, was ich fortan tue, werde ich mich bemühen, dem wieder zu genügen. Der Weg ist noch lang, aber ich weiß, daß ich ihn nicht allein gehen muß. Alle, die Ihr nun mit mir seid: verlaßt Euch auf mich. Und vor allem Du, mein Freund...der Schatten weiß nun, daß er ohne die Sonne nicht leben kann.

Ich bin Nariena Ghaldean.

Mein Schicksal wird sich entscheiden, wenn der Weg meine Gefährten und mich nun weiter nach Osten führt.

Ich beende nun diese Erzählung und wünsche Euch sichere Reisen. Geht bedächtig dahin, nachdenklich, aber auch froh - und vor allem in Frieden.




~ENDE~


Arsenica: 'Juhu, mehr knatschig, mehr schreien, mehr zanken, mehr Nari!!!'

zuletzt bearbeitet 20.12.2010 08:14 | nach oben springen


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