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  • Von Galariad und seinen TöchternDatum16.05.2011 15:40
    Thema von Airelind im Forum Geschichten und Erzähl...

    VON GALARIAD UND SEINEN TÖCHTERN


    EIN LEBENSBERICHT

    GLEICHZEITIG TEIL DER FAMILIENCHRONIK
    DES HAUSES GHALDEAN AUS GONDOR



    Die folgende Geschichte handelt von Galariad Ghaldean aus Gondor und von seinen Töchtern Iona, Nariena und Nariala, von glücklichen und traurigen Erlebnissen und von allem, was dem Hause Ghaldean widerfuhr in den Jahren 2960 bis 3017 des Dritten Zeitalters. Der Text wurde niedergelegt von Airelind aus Lindon als Mitschrift des Berichts, den Galariad selbst im letztgenannten Jahr einem Kreis ihm vertrauter Zuhörer gab. Ursprünglich ein Teil des Sternenbuches liegt der Text nun auch in eigenständiger Form vor. Stellenweise wurden Jahreszahlen in Klammern ergänzt, sie alle entstammen dem Dritten Zeitalter.


    I. Junge Jahre

    So wie ich es bei euch gleichermaßen tue, meine Freunde, so fragt ihr euch sicher, wie es uns in den Norden verschlagen hat, und wie es geschah, dass wir heute in eurer Mitte von Geschichte und Geschicken unserer Familie berichten können. Schenkt mir also ein wenig Gehör, und ihr werdet es gleich erfahren.

    Meinen Namen kennt ihr. Doch allen, die wie ich selbst der Sprache der Grauelben nur mäßig mächtig sind, möchte ich erklären, was er bedeutet: Die Vorsilbe gal meint ausnahmsweise einmal nicht den Baum, wie ihr es sicherlich in Worten wie galadhrim vernommen habt, sondern das Licht und die Helligkeit. Es folgt ein etwas verbogenes arad, und dies bedeutet Tag. Auch meine Eltern waren nicht fehlerlos im Sindarin, doch nannten sie mich somit den lichten Tag. Der Name der Familie, Ghaldean, bedeutet von altersher Greif, und ein Greif ist es, welcher auch das Wappen unserer Familie ziert.
    Geboren wurde ich im Jahr 2960 und zähle damit nun bereits 57 Jahre - doch keine Sorge, meine Knochen sind noch lange nicht brüchig. In den Adern unserer Familie fließt, sogar nach solch langer Zeit, noch ein wenig vom Blute aus Westernis, das die Numenorer stark und langlebig werden ließ. Aus Numenor stammen meine ältesten Vorväter tatsächlich, und mit den Getreuen und im Gefolge Elendils kamen sie nach Mittelerde, bevor die alte Heimat im Meer versank, und sie nahmen Heimat im großen Hafen von Pelargir an den Mündungen des Anduin.
    Mein Vater Galadan lebt nicht mehr. Ergraut ist meine euch bekannte Mutter Galawyn, von Alter und von schmerzhaften Ereignissen, von denen ich an dieser Stelle nicht erzählen möchte. Einen Bruder habe ich, Valadan mit Namen, welcher zwei Jahre vor mir (2958) geboren wurde, und welcher heute in den Angelegenheiten der Familie in Gondor bestimmt. Valadans Tochter, Maralen, befindet sich dieser Tage selbst im Norden, doch führte sie eine andere Geschichte hierher, welche an anderer Stelle erzählt werden soll.

    Während meiner Eltern Erstgeborener nach altem Brauch also den Platz des zukünftigen Oberhauptes der Familie einzunehmen unterwiesen wurde, führte mich mein Weg zum Waffendienst. Halb schob man mich, halb zog es mich, und die ersten Jahre meiner Ausbildung verbrachte ich bei den Turmwachen der weißen Stadt, ganz so wie es viele der jüngeren Sprösslinge hohen und niederen Adels aus sogenanntem gutem Hause tun. Eines Tages im Jahre 2985 war es dann soweit - den jungen Hauptleuten wurde eigene Verantwortung übertragen. Die begehrtesten Posten erhielten natürlich die Söhne bester Abstammung. Mir dagegen blieb eine der, sagen wir "weniger beneidenswerten" Aufgaben, doch eine, die sich, wie ich heute sagen kann, als gute Fügung für mich erweisen sollte: Keinen Befehl über Truppen erhielt ich, sehe ich einmal von Otharin ab, meinem treuen Knappen, der mich seitdem und bis heute begleitet, sondern eine Zuweisung zur damals noch ständigen Gesandschaft am Königshof Rohans, Gondors treuem Verbündeten.
    Die Gesandschaft, wie dieses Chorps schlicht genannt wurde, erfüllte diplomatische und militärische Aufgaben zugleich, sowohl in Edoras als auch in Minas Tirith. Und wen wundert es, dass ich als Neuling eine der militärischen Aufgaben erhielt, noch dazu eine anstrengende - man übertrug mir die Inspektion der Signalfeuer, welche zwischen der weißen Stadt und Gondors Grenze zu Rohan am Firienwald liegen. So ritt ich also mit Otharin - oder besser gesagt, wir kletterten - auf den Amon Din, den Min Rimmon und immer weiter bis zum Eilenach, bergauf, bergab, bergauf, bergab. Nach drei Jahren (2988) hatte diese Plackerei schließlich ein Ende, ein nicht allzu begeisterter Nachfolger übernahm die Aufgabe, und ich wurde dauerhaft zum diplomatischen Chorps an den Hof der goldenen Halle in Edoras kommandiert.


    II. Glückliche Jahre

    Wie war mir doch das Glück gewogen! Hatte sich bereits während meiner Aufenthalte in Edoras in den vergangenen drei Jahren ein zartes Band der Zuneigung zwischen Falvine, einer der schönen und stolzen Damen Rohans und mir selbst gesponnen - nun endlich, selbst gewissermaßen seßhaft in Edoras, konnte ich mich ihr erklären, und im folgenden Jahr (2989) feierten wir Hochzeit. Iona, unsere älteste Tochter, erblickte zwei Jahre später (2991) in Edoras das Licht der Welt.
    Weitere glückliche Jahre folgten, und ich dachte mit Dankbarkeit, dass ich an diesem Ort und auf diese Weise wohl gut und zufrieden meinen Lebensabend erwarten könnte. In den Sommermonaten reisten wir entweder nach Pelargir auf das Gut der Ghaldeans oder auf das von Falvines Eltern nach Entbruck an der Entwasser und genossen die warmen Tage in großem Kreise der Familien. Die Zwillinge, von denen Nariena die Ältere und Nariala die Jüngere ist, wurden im Jahre 2992, in Jahr nach Iona, während des ersten dieser langen Aufenthalte in Pelargir geboren.
    Doch muß ich nun erzählen, wie und weshalb das Schicksal den Lauf der Dinge zum Schlimmen lenkte und doch alles ganz anders kam als erhofft.

    Blicken wir einmal zur hohen Politik: In Gondor, das wisst ihr, hält Denethor Amt und Stab der Truchsessen. Ein weitsichtiger Regent ist er, und zu Beginn war er ein lebensfroher Mann. Doch allzu früh (2988) war seine geliebte Gemahlin verstorben, Finduilas aus Dol Amroth. Man munkelt im Volke, er habe sich von diesem Verlust niemals vollends erholt. Denn nach ihrem Tode wurde er allmählich verschlossen und, wenn seine Söhne Boromir und Faramir fern waren, zuweilen schwermütig. Feste blieben aus, der Glanz der weißen Stadt verblasste, nur ein wenig zwar, fast unmerklich, aber es liegt nach meinem Dafürhalten Wahrheit in der Behauptung, dass Gondor sich mit des Truchsessen Herzen verschloss.
    In Rohan indes, dies wisst ihr vielleicht nicht, war und ist es seit jeher Sitte, dass der König bei wichtigen Entscheidungen die Marschälle der Marken und seine engsten Berater hinzuzog. Dies ist an sich nichts Besonderes und jeder kluge Herrscher tut gut daran. Auch der ranghöchste Offizier unserer Gesandschaft gehörte traditionell zu diesen Beratern. Seit einiger Zeit aber war ein weiterer Mann stetig in des Königs Wertschätzung und Vertrauen emporgeklommen: Grima, Galmods Sohn, war sein Name, und immer öfter hatte er Theodens Ohr und Aufmerksamkeit. Ganz im Sinne Rohans, zu sehr vielleicht, erschien allen sein Rat. Verschlagen war er, doch war er es anfangs möglicherweise ohne Hinterlist, noch in fester Treue zu König und Land. Mit großer Wahrscheinlichkeit aber betrieb er, wann immer wir nicht zugegen waren, die Entlassung unserer Gesandschaft. Theoden folgte seinem intriganten Ansinnen zwar nicht, doch immer seltener wurde uns, den Botschaftern Gondors, des Königs Audienz zuteil.
    Schließlich, im Jahre 3000, wurde die Gesandschaft auf Geheiß Denethors ab- und zurück nach Gondor berufen. Natürlich war er ob unseres schwindenden Gehörs und Einflusses in Rohan verstimmt, doch war Denethor selbst zu keiner Zeit ein überzeugter Befürworter der Gesandschaft gewesen. Seiner, des Truchsessen Überzeugung nach schien es vielmehr allein Gondors Bestimmung, im Ringen der Mächte die freien Völker zu verteidigen und, sollte Gondor scheitern, im Sturm des letzten großen Krieges tosend unterzugehen. Grimas Ränkespielen kam unsere Abberufung zweifellos sehr zupass.

    Das bedeutete für mich den Beginn eines Lebens als Zivilist. Um weiterhin an der Seite meiner lieben Gemahlin und meiner Töchter bleiben zu können, nahm ich, nicht ohne Wehmut, meinen Abschied von Gondors Armee (3000) und arbeitete fortan in Edoras als Schneider und Schmied, so zufrieden wie nur möglich.


    III. Schwere Jahre

    Mit schmerzhaftester Erinnerung verbunden ist der Verlust, den wir im Sommer des Jahres 3004 in Entbruck erlitten. Meine geliebte Falvine, ihre Eltern und mein Vater Galadan fanden den Tod. Von jenem Schicksalsschlag möchte ich, wenn überhaupt, ein anderes Mal berichten. Tief trauernd dachten weder Galawyn, die Töchter noch ich selbst an einen weiteren Verbleib in Rohan, kehrten Edoras den Rücken und ließen uns wieder in Pelargir auf Ghaldean'schem Land nieder. Nun aber werdet ihr euch umso mehr fragen, was uns schließlich doch hierher in den Norden verschlug. Denn abgesehen von unseren jährlichen Besuchen der Gräber in Entbruck lebten wir wieder in Gondor.

    Eines Tages jedoch erreichte mich die Nachricht meines einstigen Vorgesetzten, des damaligen Kommandanten unserer Gesandschaft in Rohan. Er berichtete mir von einem Zirkel von Hauptleuten, welche Gondors alte Bündnisse weiterhin zu pflegen bemüht waren, und welchen sogar bekannt war, dass in Arnor noch immer die Nachfahren der Dunedain im Verborgenen lebten und wirkten. Zu eben diesen wollten sie Verbindung aufnehmen. Was aber würde Denethor über ein solches Vorhaben denken? Was sollte der Statthalter, dessen Anstrengung im Bunde mit Rohan nicht die größten waren, von einem Bund mit einem unbekannten, noch weiter entfernten Verbündeten halten? Und hatte nicht Gondor bereits vor einem Jahrtausend den verzweifelten Anspruch des wankenden Nordreichs auf den Thron zurückgewiesen? Nein, Denethor durfte hiervon vorerst nichts erfahren. Meine Kameraden waren sich wohl bewusst, dass sie zwar zum Besten Gondors, jedoch wahrscheinlich gegen den Willen des Truchsessen handelten und taten daher alles, was sie taten, im Geheimen. Euch, meinen Freunden, traue und vertraue ich dies an, doch muss ich euch das Versprechen abnehmen, es niemandem sonst zu offenbaren.
    Solch verborgene Diplomatie mit dem fernen Norden war nun ohne Boten und Botschaft schlechterdings undenkbar. Ein solcher Bote konnte natürlich kein Angehöriger der regulären Truppen sein, da - um es vorsichtig auszudrücken - kein entsprechender Befehl existierte. Ein Reservist und Zivilist wie ich jedoch besaß nicht nur die für nötig befundene Ausbildung, sondern auch die hierfür unentbehrliche Handlungsfreiheit. So hatte man sich auch an mich gewandt. Und das, worum man mich bat, war nichts Geringeres als regelmäßige Botschaft und Reise zu den Dunedain von Arnor.

    Ich erklärte mich hierzu bereit und zog Iona, Nariena und Nariala ins Vertrauen. Zu meiner Überraschung ließen sie sich nicht davon abbringen, mich zu begleiten. Nach anfänglichem Zögern konnte ich ihnen diesen Wunsch nicht verwehren; immerhin waren sogar die beiden Jüngsten bereits im sechzehnten Lebensjahr, alle hatten seit Jahren, eine jede auf ihre Weise, Interesse am Kriegshandwerk gezeigt und waren mehr als fähig, eine Waffe zu führen.
    Mehr noch - wir beschlossen, dass meine Mutter Galawyn uns ebenfalls begleiten würde. Noch immer dämmerte sie im Schatten unseres Verlusts dahin, und wir hofften, sie würde besser zu Sinnen kommen, wenn wir der alten Heimat gänzlich und dauerhaft den Rücken kehrten.
    So reisten wir, Galawyn, Iona, Nariala, Nariena, Otharin und ich, im Jahre 3008 auf beschwerlichem Weg in den Norden. Die Reise glich eher einem Familienumzug als einer Mission, aber dies war mir willkommene Tarnung und konnte der Sache nicht schaden. Nach kurzem Aufenthalt in Bree wurde das verborgene Esteldin in den Nordhöhen einstweilen unsere neue Heimat, eine der wenigen letzten und sorgsam verborgen gehaltenen Zufluchten der Dunedain des Nordens.


    IV. Jüngste Jahre

    Das Leben in Esteldin war weitaus entbehrlicher als das in Gondor, selbst als das in Rohan, doch wir gewöhnten uns daran. Es dauerte nicht lange, und man war von unserer Vertrauenswürdigkeit überzeugt. Meine Fertigkeiten als Handwerker waren willkommen, die Töchter gingen zuweilen mit den Waldläufern auf Patrouillen, und sogar Galawyns Geisteszustand besserte sich ein wenig. Oft auch waren wir, die Ghaldeans, gemeinsam auf Erkundung im Breeland und an den Grenzen des Auenlandes. Bis zu den Anfurten und nach Bruchtal führten uns unsere Wege, und in den Weiten Arnors, von denen wir fälschlicherweise geglaubt hatten, sie wären ausgestorben und vergessen, lernten wir viele Dinge von Bedeutung für unsere alte Heimat im Süden.

    Von Weiterem und dem Schluss soll rasch berichtet sein: Noch immer und wie vorgesehen sende ich regelmäßig Nachricht über den Norden in die Heimat und bringe Botschaften mit mir zurück, was nichts anderes bedeutet, als dass jedes zweite Jahr Otharin, ich selbst, meist aber wir beide gemeinsam wie in vergangenen Tagen der Leuchtfeuerinspektionen, an einem Frühlingstag die lange Reise in den Süden antreten und erst im Spätsommer oder Herbst wieder nach Esteldin zurückkehren. Dann und wann begibt sich eine der Töchter mit uns auf die lange Fahrt, doch immer seltener, denn allmählich führen sie ihr eigenes Leben. Ich aber werde fortfahren, mein Versprechen zu erfüllen, so lange es notwendig ist, so lange ich es vermag und der Weg mir offensteht. Wie lange dies sein wird? Wer kann dies wissen, denn beschwerlicher und schwerer werden alle Wege dieser Tage.
    Hier und jetzt aber bin ich nunmehr zum Ziel gelangt, zum Ende der Geschichte. Mögen wir sie gut und zu unser aller Wohl weiterführen.


    V. Quellen

    Der obige Text entstand auf der Grundlage folgender Quellen:

    J. R. R. Tolkien - The Lord of the Rings
    Allen & Unwin in association with BCA, 1987
    Vol. III - The Return of the King, Appendix A - Annals of the Kings and Rulers
    Vol. III - The Return of the King, Appendix B - The Tale of Years

  • Auf in die Schlacht!Datum23.02.2011 03:03
    Foren-Beitrag von Airelind im Thema Auf in die Schlacht!

    <anführerhaft näselnd> Ähm, Bannerträger?!? Oder soll ich das Ding etwa selbst tragen?

  • Von Pferd und SchwertDatum19.12.2010 00:20
    Foren-Beitrag von Airelind im Thema Von Pferd und Schwert

    Es schließt sich an eine Schilderung des Endes der Jagd, wiederum aus Galariads Sicht:

    Ich begann mich heranzupirschen. Ebenes Gelände, leicht abschüssig. Noch gut hundert Schritt...
    Die Orks stritten, was mich kaum verwunderte, doch hätten sie es ausnahmsweise nicht getan, wäre die Überraschung mir schwerer gefallen. In Wahrheit jedoch pirschte ich keineswegs. Ich bemerkte, halb außer mir selbst, wie ich mich den Bestien bereits aufrechten und geschwinden Gangs näherte. Noch achtzig Schritt...
    Als würde ich mich selbst beobachten, ohne zu wissen, was ich als nächstes tun würde, sah ich mich meine Schritte immer weiter beschleunigen. Ich verfiel ins Laufen. Bald lief ich rasch und stampfend auf die grunzende Meute zu. Noch sechzig Schritt...
    Ich konnte es nicht glauben, aber sie waren meines Ansturms noch immer nicht gewahr. Nur mit der Rechten griff ich nun die Helmbarte und hob sie über die Schulter zum Wurf. Noch vierzig Schritt...
    Die Orks wirbelten herum. Auch jetzt hätten sie mich nicht bemerkt, hätte ich den markerschütternden Schrei all meiner Verzweiflung und Wut unterdrücken können, der sich nun Bahn brach. Aus vollem Lauf und als wäre sie ein leichter Wurfspeer schleuderte ich die Helebarde den Scheusalen entgegen. Noch zwanzig Schritt...
    Krachend durchschlug mein Wurfgeschoß den Panzer eines der verdutzten Orks und spaltete ihm den Leib von der Seite bis zum Brustbein. Einer!

    Während der durchbohrte Ork tot zusammensackte, zog ich den Zweihänder aus der Lederscheide auf dem Rücken und begann mich, die schwere Klinge in beiden Händen, im Lauf zu drehen. Als eine ganze Drehung vollendet war, trennte mich nichts mehr von den verhaßten Kreaturen.
    Keiner der Orks wollte derjenige sein, der diesen ungeheuren Streich des tödlich kreisenden Zweihänders würde nehmen müssen. Alle versuchten sie, zur selben Seite zu weichen und stolperten ineinander. Den Langsamsten unter ihnen, obgleich er seinen Schild emporgerissen hatte, ereilte der Tod. Das Schwert spaltete Schild und Ork - zwei! - und drang dem torkelnden Nebenstehenden in die Flanke, der sich brüllend vornüber krümmte. Ich riß das Schwert zur Parade des Angriffs eines Anderen empor und ließ es wie ein Henkersschwert niederfahren, dem Gebeugten das Genick zerschmetterternd. Drei!
    Ich war rasend. Den eigenen Schmerz fühlte ich nicht, doch ließ der Griff meiner Linken an Kraft nach, der linke Oberarm schien in warmes Wasser getaucht. Den schweren Armtreffer, den der unter meinem ersten Schwertstreich hinweggetauchte Ork in meine ungeschützte Seite gesetzt hatte, nahm ich erst jetzt wahr. Im Augenwinkel konnte ich sehen, daß er sich aufgerichtet hatte, nun beinahe hinter mir stand und ausholte. Es war zu spät, sich ihm zu widmen, zu spät für eine Abwehr, das wußte ich. Doch eines der Schweine würde ich noch mit mir in den Tod reißen. Meine Linke, mit Mühe noch als Führhand zu gebrauchen, griff das Schwert an der Klinge, und mit der Rechten trieb ich den Schwertgriff ins Gesicht eines der beiden Orks vor mir. Die Seite des Hefts drang durch eines der roten Augen tief in den Schädel. Vier! Der andere mir gegenüberstehende Ork wich zurück, während ich den Schlag in meinem Rücken erwartete.
    Die Spitze, die Spitze des Schwerts! Sie weist nun nach hinten, schoß es mir durch den Kopf. Ich faßte ich die Klinge fester, die mir durch Handschuh und Finger schnitt, und riß sie mit aller verbleibender Kraft des versehrten Arms hintaufwärts. Es würde nichts ändern, der Ork in meinem Rücken würde schneller sein. Schicksalsergeben und grimmig fragte ich mich, auf welche Stelle seine Wahl denn gefallen war, um mir denjenigen Schlag zu versetzen, welcher den Kampf beenden würde, beenden mußte. Allenthalben, ich spürte nichts. Stattdessen traf meine Klinge auf einen Widerstand, den sie mühelos durchbrach, um dem Ork in den Bauch und weiter aufwärts zu fahren. Als ich mich zu ihm umwandte und die Klinge zurückzog, fiel der Ork wie ein gefällter Baum. Aus seinem Rücken ragte das Heft eines Messers. Fünf!
    Hinter ihm kam Nariena zum Vorschein, an den Füßen gebunden, nicht aber an ihren Händen, welche das Messer eines der getöteten Orks und mein Leben in dieser Welt gehalten hatten. Ungläubigkeit und Entsetzen standen ihr gleichermaßen im Blick. Für einen Wimpernschlag herrschte eine übermächtige Stille. Mir wurde bewußt, daß ich selbst bis eben wie ein Wahnsinniger geschrien hatte. Noch offenen Mundes blickte ich sie an, als meines Vaters Stimme uns wieder zum Handeln trieb. Aus Leibeskräften schrie er seine Warnung, gerade rechtzeitig, um mich erneut demjenigen Ork zuzuwenden, der zurückgewichen war, nun aber wieder heranstürmte. Parade, Riposte, sechs! Ein Pfeil traf mich in den Oberschenkel, woher er kam, wußte ich nicht.
    Abermals hörte ich meinen Vater schreien, ein letztes Mal, einen Schmerzensschrei, der langsam verebbte. Der Uruk stand bei ihm, offenbar der Anführer der Meute, der seine Lakaien die Drecksarbeit hatte erledigen lassen wollen und nun seine Felle davonschwimmen sah. Geradezu genüßlich zog er sein Krummschwert aus Galadans Brust und blickte spöttisch zur mir, höhnisch grunzend, als wolle er mich einladen, etwas ganz Besonderes mitanzusehen. Fürwahr holte er mit dem Schwert in aller Ruhe noch einmal aus. Weder ich mit durchschossenem Bein noch Nariena mit ihren Fußfesseln wären imstande gewesen, ihn vor dem Schlag zu erreichen. Mein Vater lebte noch. Er blickte mich an. Dann die Töchter. Dann schloß er die Augen.
    Ein einziges Mal in meinem Leben habe ich ein Zweihänderschwert geworfen. Man kann damit nicht zielen, es kann nicht fliegen, man kann damit nicht treffen. Ich zielte auch nicht, war dazu gar nicht mehr imstande, ich warf einfach. Es flog. Und es traf. Als der Uruk zu Boden ging, ragte es zur Hälfte aus Brust und Rücken heraus.
    Hinter dem Felsen, an den mein Vater gebunden war, kam nun der letzte Ork zum Vorschein, den nächsten Pfeil schon auf der gespannten Bogensehne. Ich warf mich vor Nariena, doch der viel zu hastig abgegebene Schuß ging ohnehin fehl. In panischer Angst schmiß die Kreatur den Kurzbogen fort und suchte eiligst das Weite, in heilloser Flucht geradewegs in den Fangorn hinein. Bevor ich überhaupt wieder auf die Beine kam, war Nariena bereits zu dem gefallenen Uruk gesprungen und hatte ihm das Messer so lange in den Leib gestoßen, bis er nicht mehr zuckte. Sieben! Und der Achte war fort.

    Auch Iona und Nariala hatten sich nun erhoben und standen neben Nariena. Wenn auch unversehrt in diesem Kampf, tief verwundet für ihr ganzes Leben waren sie alle. Meinem Vater lösten wir die Fesseln. Für einen kleinen Augenblick konnte ich ihn in die Arme schließen bevor er starb.

    Gebrochen in Körper und Geist schleppten wir uns nach Entbruck. Galawyn und Otharin waren bereits sicher eingetroffen, meine Mutter in tiefen Schlaf versunken. Nächstentags erwachte sie, die Töchter und mich noch immer nicht erkennend, wie sie es später in ihren Aufzeichnungen festhielt. Damit schließe ich den Kreis der Erzählung mit dem, was ich beitragen konnte.
    Unsere Toten brachten wir wenig später heim. Admunth, Roswilde und die Bediensteten begruben wir auf dem Gut der Großeltern, nicht weit entfernt vom Ufer der Entwasser. Galadan und Falvine wurden nach Gondor überführt und ruhen in der Gruft der Ghaldeans in Pelargir.

    Keinem von uns waren auf diesen weiteren Wegen nochmals Orks begegnet. Zu dieser Zeit hätte man wohl wochenlang durch das Wold streifen können, ohne daß derartiges Ungemach geschah. Und doch war es einmal geschehen. Weshalb ausgerechnet uns? Niemand kann eine solche Frage beantworten, doch die Frage bleibt, ewig allein, vergeblich auf der Suche nach ihrer Auflösung, sickert allmählich in unser Wesen und macht uns mit zu denjenigen, die wir sind. Seht uns unsere Eigenheiten nach, insbesondere Galawyn. Sie hat lichte Augenblicke, doch viele dunkle, in denen ihr bewußt wird, daß sie selbst sich niemals verzeihen kann.

  • Von Pferd und SchwertDatum19.12.2010 00:13
    Foren-Beitrag von Airelind im Thema Von Pferd und Schwert

    In guter Voraussicht hatte Otharin mir alles für einen raschen Aufbruch bereitet. Und wir verloren wahrlich keine Zeit, rüsteten uns, verstauten etwas Proviant in den Satteltaschen und nahmen uns die schnellsten Pferde, die wir finden konnten. Binnen weniger Minuten galoppierten wir nordwärts, in den Nachmittag hinein, noch guten Mutes, Galawyn früher oder später einzuholen. Als der Abend dämmerte, sahen wir den Rand des Fangornwaldes zu unserer Linken, in der hereinbrechenden Dunkelheit bald nur ein schwarzes Band am Horizont, zu dem wir gebührenden Abstand hielten. In sternklarer Nacht unter einem fast vollen Mond jagten wir über die Ebene, in ständiger Hoffnung, den Schein eines Lagers zu erspähen, an dessen Feuer all unsere Sorge einem erleichterten Wiedersehen weichen würde. Doch auch als der Morgen bereits graute, hatten wir nichts entdeckt. Der sich allmählich wieder dunkelgrün färbende Waldsaum Fangorns zog sich nach Westen zurück, und als der Tag in Gänze angebrochen war, zügelten wir unsere erschöpften Pferde an den Ufern des Flusses Limklar.

    Hier mußten wir uns entscheiden: Entweder wir versuchten, den Fluß zu überqueren, um den Ritt nordwärts fortzusetzen, oder aber wir ritten am Flußufer nach Osten, dem großen Strom entgegen. Wir wählten letzteren Weg, hielten wir es doch für wenig wahrscheinlich, daß meiner Mutter eine Flußüberquerung ohne weiteres gelungen wäre. Wie sehr ich mich getäuscht hatte, ahnte ich nicht; wie sie es vollbracht hatte, weiß ich bis heute nicht. Doch mit der ihr eigenen Sturheit mußte sie dies strömende Hindernis überwunden haben. Einem Elben oder einem ganz vortrefflichen Jäger wären dort, wo sie ihr Pferd ins Wasser gelenkt hatte, womöglich ihre nunmehr drei Tage alten Spuren aufgefallen, doch weder Otharin noch ich bemerkten die Hufabdrücke ihres Pferdes, als unsere eigenen Rösser darüber hinwegtrommelten und uns weiter ostwärts trugen, am südlichen Ufer des Limklar entlang.
    Mit dem Tageslicht schwand ein großer Teil unserer Hoffnung, sie zu finden. Aber was hätten wir tun sollen außer unseren Weg fortzusetzen? In dieser Nacht mußten wir um der Pferde willen länger rasten, doch mit dem ersten Licht des Morgens sattelten wir wieder auf. Wir erreichten die Mündung des Limklar in den Anduin um die Mittagszeit, und - was zu hoffen wir langsam nicht mehr wagten - endlich, endlich fanden wir sie. Aber ach! Wie wir sie fanden - zusammengekauert, reglos und ins Leere starrend, eingehüllt in einen waldgrünen Mantel fremdartiger, doch feinster Webkunst, saß Galawyn auf der Sandbank am Ufer zwischen den Strömen und kannte uns nicht.

    Meine schiere Erleichterung über unser Glück wich alsbald schon neuer Unruhe angesichts ihres ganz und gar abwesenden Zustands. Eine Weile schien sie uns nicht einmal zu bemerken, dann aber krallte sie sich ohne ersichtlichen Anlaß urplötzlich und in einem solchen Anfall des Schreckens in mein Wams und schrie meines Vaters Namen aus Leibeskräften und in großer Verzweiflung. Wir konnten sie kaum beruhigen, bemerkten jedoch bald, daß ihr Entsetzen keine nur ersonnene Ursache haben konnte. Sie wußte irgendetwas, doch woher, das blieb uns schleierhaft. Sie hatte irgendetwas mitansehen müssen, etwas, das sie uns nicht mitteilen konnte, doch ohne den geringsten Zweifel etwas Grausames, etwas, das Galadan zugestoßen war. Als wir uns wenigstens dessen sicher waren, blieb einmal mehr keine Zeit zu verlieren. Ich befahl Otharin, bei meiner Mutter zu bleiben und sie unter allen Umständen und so schnell, wie es ihr Zustand erlauben würde zurück nach Entbruck zu bringen. Ich selbst sprang wieder aufs Pferd und preschte nach Südwesten, die beiden Flüsse im Rücken, den Anhöhen des Wold wieder entgegen.

    Dumpfer Sinne ritt ich, ritt und ritt. Gegen Abend entdeckte ich eine hauchdünne, kräuselnde Rauchfahne am Horizont und lenkte mein Pferd darauf zu. Als ich mich näherte, sah ich, daß sie von einem ausglimmenden, zur Unförmigkeit verkohlten Haufen aufstieg. Deutlich hingegen waren Teile von Rüstungen, Beschläge und Waffen darin zu erkennen. Kein Zweifel - hier wurden, wie die Reiter der Mark es zu tun pflegen, getötete Orks verbrannt.
    Das aber, was ich ringsumher sehen mußte, ließ mir das Blut in den Adern erstarren. Falvine lag dort, Admunth, Roswilde, die Magd und zwei der Knechte, leblos und teils grausam zugerichtet. Erspart mir bitte Einzelheiten und zwingt mich nicht, länger als nötig bei dieser Erinnerung zu verweilen. Auch weitere Orks lagen dort in ihrem dunklen Blut, diese waren nicht verbrannt worden. Ein wenig abseits der grausigen Szenerie lag der abgetrennte Kopf des dritten der Knechte. Der Schaft eines groben Pfeils war ihm in die Schläfe genagelt. Ein blutverschmierter Fetzen Pergaments hing daran, alles erkennbar absichtlich auf diese Weise bereitet. Auf dem Pergament war eilig etwas geschrieben worden, die Handschrift war diejenige meines Vaters Galadan:

    hal eogrim!

    von schweinen überfallen, admunth und roswilde tot,
    haben schwer verwundete, pferde tot,
    schickt reiter, den heiler und 2 baren!
    müssen lagern, findet uns nno vom dorf,
    sucht das orkfeuer,
    EILT!

    galadan


    Zur Hälfte wußte ich nun, was geschehen war. Der Hilferuf war an Eogrim gerichtet, den meinem Vater flüchtig bekannten Dorfvorsteher Entbrucks. Schweine, diesen Ausdruck für die Orks hatte Galadan bereitwillig von den Rohirrim übernommen, hatten die Gesellschaft überfallen. Wenngleich es offenbar gelungen war, die Angreifer zu vertreiben und zumindest einige von ihnen zu töten, so hatten Admunth und Roswilde bereits mit ihrem Leben bezahlen müssen. Zu allem Übel waren weitere unter ihnen so schwer verletzt, daß sie ohne des Dorfheilers Hilfe nicht transportfähig waren. Damit waren sie dazu verdammt gewesen, an Ort und Stelle zu warten und zu bangen, daß der Knecht mit Galadans Nachricht schnellstmöglich Entbruck erreichen würde. Anfangs mußten sie wohl zuversichtlich gewesen sein, nicht nochmals angegriffen zu werden. Immerhin hatten sie Zeit gefunden, die Kadaver der Orks in Brand zu setzen. Ob sie vor ihrem Ende erfuhren, daß der eilige Bote in Entbruck niemals ankam, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht warfen die Orks, welche ihn abgefangen hatten, sein Haupt ins Lager, um sich an der Verzweiflung der Wartenden zu weiden. In der nächsten Nacht jedenfalls mußten sie aufs Neue über meine Familie gekommen sein, und alles war verloren.

    Mit Mühe zwang ich mich zu neuer und allerletzter Hoffnung. Galadan und die Töchter waren nicht unter den Toten. Seinen verbeulten Schild und einige Fetzen nur allzu vertrauter Kleidung hatte ich gefunden, von ihnen selbst jedoch nichts. Nichts außer einer Spur. Ja, dieses Mal wußte ich, wohin ich reiten mußte, denn die Zeichen orkischen Getrampels blieben sogar einem ungeübten Fährtensucher wie mir nicht verborgen, und das vergossene Blut meiner Nächsten wies mir die Richtung geradewegs gen Westen, dem Fangornwald entgegen. Ich breitete über den Toten aus, was ich an Mänteln und Decken finden konnte, um sie den Krähen nicht auszuliefern und brach sofort auf.
    Mitternacht war lange vergangen, als ich mich dem Wald näherte. Mein Pferd hatte ich zu Schanden geritten, es würde keine Stunde länger aufrecht stehen können, doch hatte mich das treue Tier gerade so lange getragen, wie es nötig war, denn in einiger Entfernung hörte ich das zänkische Krakelen der Bestien, dazwischen auch Schreckensschreie geliebter Stimmen. Die letzte Viertelmeile näherte ich mich zu Fuß und so leise ich konnte, dann entdeckte ich ihr Lager unmittelbar am Waldrand. Sie hatten kein Feuer entfacht, doch die klare und helle Nacht verbarg nichts. So sah ich sie alle...

  • Von Pferd und SchwertDatum19.12.2010 00:12
    Foren-Beitrag von Airelind im Thema Von Pferd und Schwert

    So laßt mich dort einsetzen, wo meiner Mutter Aufzeichnungen abbrechen - in einer Kammer in Falvines Elternhaus in Entbruck, erleuchtet vom flackernden Feuer im Kamin. Ich stand an meiner Mutter Bett, Nariala, Iona und Nariena saßen zitternd auf der Bettkante, als Galawyn nach qualvoll unruhigem Schlaf endlich die Augen öffnete und wirren Blicks umherstarrte. Weder mich noch die Mädchen erkannte sie. Ihr Verstand hatte sie verlassen. Körperlich war sie unversehrt, doch hatte sie zweifellos Schreckliches mitansehen müssen. Ebenso schlimm, ja schlimmer noch, war es den Mädchen ergangen; sie waren geschunden und trugen zahlreiche Verbände an ebenso zahlreichen Wunden, während sie hingegen wundersamerweise noch klarer Sinne waren. Daß ich selbst den Verstand nicht verlor, erstaunt mich noch heute. Denn hier in diesem Raum befand sich, abgesehen von meinem Bruder in Gondor, der ganze noch lebendige Teil unserer Familie. Falvine - tot, Admunth und Roswilde - tot, Galadan - tot. Draußen stieg eine strahlende Vormittagssonne den Himmel empor, gerade so, als wäre nichts geschehen und wie sie einige Tage zuvor, einen heiteren Ausritt verheißend, dem Zenit entgegengewandert war...

    Die Familie hatte einen großen Ausflug geplant, und was hatte nähergelegen als, zur ausgesprochenen Begeisterung der Töchter, ein weiter Ausritt auf Admunths besten Pferden. Zu meinem Bedauern konnte ich nicht daran teilhaben, rief mich doch eine dringende, aber nicht weiter ungewöhnliche Botschaft kurz nach Edoras zum Chorps. Nachdem sämtliche Pferde gesattelt waren, wünschte ich meinen Lieben arglos viel Vergnügen und ritt nach Süden. Mit meinem guten Pferd und ein wenig Eile würde ich in drei Tagen wieder zurück sein.
    Admunth hatte vorgeschlagen, nach Nordosten in das Wold zu reiten, um dort über Stock, Stein und Hügel die Windeseile seiner Rösser zu genießen. Galawyn hatte mit dieser Himmelsrichtung für den Tagesausflug - merkwürdigerweise - unverzüglich ihr Einverständnis erklärt, sie mußte ihre eigenen Entschlüsse in diesem Augenblick bereits gefaßt haben und ahnte eine günstige Gelegenheit. Da die Gesellschaft von einiger Größe war, mein treuer Knappe Otharin sowie drei Knechte und eine Magd Admunths begleiteten die Familie, und Waffen waren den meisten zur Hand, bestand nach allgemeiner Einschätzung kein Grund zu irgendwelcher Sorge, und Galawyn hatte von ihrem Vorhaben zu niemandem gesprochen.

    Wie erhofft traf ich vier Tage später wieder in Entbruck ein. Die Reitersgesellschaft hatte am Abend ihres Ausflugs bereits zurückkehren wollen, doch zu meiner Überraschung und aufkeimender Beunruhigung empfing mich alleine Otharin mit besorgniserregenden Neuigkeiten. Galawyn hatte wohl während des gesamten Ausritts auf einen geeigneten Moment gewartet, der Gesellschaft zu entfliehen, vielleicht bei einer Rast, vielleicht bei einem Versteckspiel, wer weiß. Lediglich Nariena hatte sie ihre Absichten anvertraut. Warum gerade ihr, das kann ich nicht sagen, vielleicht hatte Nariena sich auch einfach nicht abschütteln lassen.
    "Ich reite zum goldenen Wald!", hatte sie ihr eröffnet. "Immer schon wollte ich diesen Ort mit eigenen Augen sehen, einmal in meinem Leben Elben sehen. Halte mich nicht auf, und bleib bei den Anderen, Kind! Ich muß dies tun. Und macht euch keine Sorgen, ich bin in wenigen Tagen wieder bei euch."
    Nariena hatte gehorcht, doch im Kreuzverhör der Familie gegen Abend schließlich Galawyns Vorhaben preisgeben müssen. Groß war vor allem Galadans Ärger über dieses ebenso eigenmächtige wie törichte Unterfangen seiner Gemahlin. Doch auch in diesem Augenblick bestand noch kein Grund zu ernster Sorge. Zwar hatte Galawyn mittlerweile einigen Vorsprung, doch man würde ihr folgen und sie zur Vernunft bringen. Otharin als einziger würde an der Suche nicht teilnehmen, sondern mit Nachricht dieser unvorhergesehenen Wendung nach Entbruck zurückkehren, damit auch ich davon wüßte, sollte sich die Suche in die Länge ziehen. Da ich nun wie geschildert bei meiner Ankunft nur meinen Knappen antraf, wußte ich: Die Suche hatte sich fürwahr in die Länge gezogen.

  • Von Pferd und SchwertDatum19.12.2010 00:12
    Foren-Beitrag von Airelind im Thema Von Pferd und Schwert

    [...] Her son Eomer was born in 2991, and her daughter Eowyn in 2995. At that time Sauron had arisen again, and the shadow of Mordor reached out to Rohan. Orcs began to raid in the eastern regions and slay or steal horses. Others also came down from the Misty Mountains, many being great uruks in the service of Saruman, though it was long before that was suspected. [...]
    (J.R.R. Tolkien, The Return of the King, Appendix A, II, The House of Eorl, p. 351)

    __________________________


    Es folgt ein Bericht Galariad Ghaldeans, Vater Nariena Ghaldeans, über das Schicksal seiner Familie, zugleich Ergänzung des Tagebuchfragments Galawyn Ghaldeans, seiner Mutter, über ihre folgenschwere Reise in den goldenen Wald.

    Der folgende Bericht, den zu geben ich mich schwer tue, ist eine Ergänzung der Erzählung meiner Frau Mutter Galawyn und ihres Tagebuchs über den goldenen Wald. Der Titel, den sie ihren Aufzeichnungen verlieh - "Über die Waldelben" - läßt wenig von dem erahnen, was ihr selbst und unserer gesamten Familie in jenen schicksalsschweren Tagen widerfuhr.
    Das Tagebuch selbst gelangte Nariena und damit nun euch allen zur Kenntnis und verbirgt schwere und schmerzhafte Erinnerungen. Nicht unlieb wäre es mir gewesen, wäre es niemals ans Licht gelangt und würde noch immer verborgen auf einem Speicher schlummern. Doch was geschah, geschah, und somit möchte ich mein Bestes tun, um die Geschehnisse jener Unglückstage, welche ich mit eigenen Augen bezeugen konnte, selbst zu ergänzen und dadurch die vorhandenen Lücken der Erzählung zu schließen, insbesondere da der Mittelteil des Tagebuchs entfernt wurde.
    Auch ist damals leider allzu Vieles in meiner Abwesenheit geschehen. Den Kummer der Rekonstruktion solcher Ereignisse erspare ich mir, mögen meine Töchter, vornehmlich Nariena selbst, so sie dazu überhaupt willens und bereit sind, diese letzten fehlenden Bruchstücke in den Fluß der Erzählung weben.
    Ihr werdet mir nachsehen, wenn ich das Erlebte so nüchtern wiedergebe, wie es mir nur möglich ist. Geschichten sind mir keine Gelegenheiten der Trauer, lediglich Gelegenheiten des akkuraten Berichts; schreibt es meiner militärischen Ausbildung als Heermeister Gondors zu. Zudem vermag ich kaum so gewandt in Worten zu malen, wie meine Mutter oder noch besser meine Tochter Nariena es vermögen.

    Bevor ich berichte, was geschah, werde ich beschreiben, wo es geschah. Unser Bund, unsere Sippe, verfügt über passables Kartenmaterial. Werft also einen Blick darauf, wenn euch die Erzählung wahrhaft interessiert, denn wem es an Ortskenntnis gebricht, der ist ein Ahnungsloser, und dies sage ich nicht nur als Soldat.
    Ich empfehle euch eine Gesamtkarte des Westens oder aber eine Karte Rohans. Dort findet ihr das Gebiet, in welchem sich das Unglück zutrug - das Wold, auch das Ödland genannt. Im Westen wird es begrenzt vom Fangornwald, im Norden und Osten von den Flüssen Limklar und dem Anduin, im Süden geht es in Rohans Ostfold über. Das karge Wold steht unter keines Menschen Herrschaft, obgleich es nominell eine der Provinzen Rohans ist. Das hügelige aber baumlose Ödland wurde vormals als Weideland genutzt, doch seit Jahren vermögen Theodens Reiter nicht mehr, diesen entlegenen Landstrich zu befrieden. Natürlich lauert dort mitnichten ein Ork hinter jedem Strauch, doch muß ich kaum betonen, daß eine Reise durch das Wold dieser Tage nicht völlig sicher ist. Leider habe ich dies schon damals nicht zu Genüge betont.
    Nun möchte ich euer Augenmerk auf einen weiteren Ort lenken, einen, welcher zumindest damals sicher war - den Flecken Entbruck. Entbruck war eine kleine dauerhafte Siedlung der Rohirrim. Nun, aus gondorischer Sicht würde man zumindest von einer kleinen Siedlung sprechen. Für die Verhältnisse Rohans aber war es ein größerer Ort, bedeutungsvoll auch deshalb, weil, wie der Name bereits verspricht, sich dort die in weitem Umkreis einzige Brücke über die Entwasser spannte. Der Fluß Onodlo oder Entwasser entspringt tief im Fangornwald, verläßt diesen in östlicher Richtung, bevor sich sein Lauf gen Süden wendet. An eben dieser Wendung lag Entbruck.

    In besagtem Entbruck lebten Admunth und Roswilde, die Eltern meiner Gemahlin Falvine, auf großem Gehöft inmitten saftiger Weiden für die stolzen Rösser, deren Zucht Admunth sich veschrieben hatte. Jedes Jahr im Sommer besuchten Falvine und ich ihr Elternhaus in Entbruck, und jedes zweite oder dritte Jahr reiste auch meine Familie aus Gondor an, um dort in großer Runde gemeinsame und unbeschwingte Tage zu verleben. So begab es sich, daß in diesem Schicksalsjahr einmal wieder wir alle, Falvines Eltern Admunth und Roswilde, meine Eltern Galadan und Galawyn, Falvine, unsere Töchter Nariala, Iona und Nariena, ich selbst sowie einige weitere enge Verwandte fröhlich in sommerlicher Lebensfreude versammelt waren.

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